Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 23.05.2007
Aktenzeichen: 13 A 3657/04
Rechtsgebiete: AMG


Vorschriften:

AMG § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1
AMG § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 1. Alt.
AMG § 105
Die Bezeichnung eines Arzneimittels, dessen zugelassenes Anwendungsgebiet die Unterstützung der Ausscheidungsfunktion der Niere ist, als "Blutreinigungstee" ist irreführend.
Tatbestand:

Die Klägerin beantragte die Nachzulassung ihres Arzneimittels unter der Bezeichnung "Blutreinigungstee". Die Beklagte ließ das Arzneimittel nur unter der Bezeichnung "Nierentee" zu, da die Bezeichnung "Blutreinigungstee" irreführend sei. Die dagegen gerichtete Klage blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg.

Gründe:

I. Der mit dem Hauptantrag gestellte Verpflichtungsantrag ist zulässig. Mit ihm begehrt die Klägerin eine Nachzulassung des streitgegenständlichen Arzneimittels nach § 105 Abs. 4f AMG wie von ihr unter dem 29.1.2001 beantragt, also mit der Bezeichnung "....Blutreinigungstee". Die Bezeichnung eines Arzneimittels ist einer der wesentlichen Bestandteile der Zulassung.

BVerwG, Urteil vom 13.4.1989 - 3 C 11.86 -, BVerwGE 82, 7.

Die Klage ist aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der Zulassung oder auf Neubescheidung für das streitgegenständliche Arzneimittel unter der von ihr begehrten Bezeichnung. Die Ablehnung im Bescheid vom 23.8.2001 ist rechtmäßig (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO). Dem Nachzulassungsbegehren nach § 109a AMG steht der sich aus § 105 Abs. 4f Satz 1 Hs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 1 Alt. i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AMG ergebende Versagungsgrund entgegen.

Nach § 105 Abs. 4f Satz 1 Hs. 1 AMG kann eine Zulassung nach § 105 Abs. 1 AMG nur dann verlängert werden, wenn kein Versagungsgrund nach § 25 Abs. 2 AMG vorliegt. Nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 1. Alt. AMG ist eine Zulassung dann zu versagen, wenn das Inverkehrbringen des Arzneimittels gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen würde. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AMG ist es verboten, Arzneimittel herzustellen oder in den Verkehr zu bringen, die mit irreführender Bezeichnung versehen sind.

Aus § 105 Abs. 4f Satz 1 Hs. 1 AMG i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 1 Alt. i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AMG ergibt sich, dass eine Zulassung hinsichtlich der Bezeichnung dann zu versagen ist, wenn das Arzneimittel unter einer irreführenden Bezeichnung zugelassen werden soll. Die Bezeichnung eines Arzneimittels ist zwingender Teil der Zulassung. Wenn aber die Beklagte ein Arzneimittel nur unter einer bestimmten Bezeichnung zulassen darf, so muss sie auch überprüfen können, ob die Bezeichnung rechtmäßig ist. Das geschieht im Rahmen des Erstzulassungsverfahrens nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 1 Alt. i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AMG bzw. im Rahmen des Nachzulassungsverfahrens nach § 105 Abs. 4f Satz 1 AMG i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 1 Alt. i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AMG. Auch im Verfahren der Änderungsanzeige findet eine Überprüfung statt. Nach § 29 Abs. 2 AMG ist nämlich bei einer Änderung der Bezeichnung des Arzneimittel der Zulassungsbescheid zu ändern. Der geänderte Zulassungsbescheid kann aber nur dann eine legale Zulassung aussprechen, wenn die Beklagte wie im Rahmen der Erst- bzw. Nachzulassung die Vereinbarkeit der Änderung mit § 25 AMG - und eben auch mit § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 1 Alt. i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AMG - geprüft und bejaht hat.

Siehe Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Kommentar, Loseblatt, Stand Juni 2006, § 29 Anm. 12; Rehmann, AMG, 2. Aufl. 2003, § 29 Rdnr. 6.

Dem steht nicht entgegen, dass § 25 Abs. 3 AMG im Nachzulassungsverfahren nicht anwendbar ist. Es ist nämlich nicht ersichtlich, dass durch § 25 Abs. 3 AMG auch die Bezeichnungsregelungen der § 105 Abs. 4f Satz 1 Hs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 1 Alt. i.V.m. § 8 AMG verdrängt werden sollen. § 25 Abs. 3 AMG regelt nur den - hier nicht vorliegenden - Fall, in dem verschiedene Arzneimittel unter gleicher Bezeichnung in den Verkehr gebracht werden sollen. Es spricht nichts dafür, dass mit dieser Sonderregelung zugleich eine abschließende Regelung der Bezeichnungskontrolle für Arzneimittel im (Nach- ) Zulassungsverfahren beabsichtigt ist. Zudem kann § 25 Abs. 3 AMG als Konkretisierung von § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AMG verstanden werden.

Vgl. Kloesel/Cyran, a.a.O., § 25 Anm. 64.

Gemeinschaftsrecht steht einer Anwendung von § 105 Abs. 4f Satz 1 Hs. 1 AMG i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 1 Alt. i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AMG nicht entgegen. Denn auch das Gemeinschaftsrecht lässt die Versagung einer Zulassung wegen einer irreführenden Bezeichnung bzw. wegen eines irreführenden Namens zu. Zwar greift insoweit Art. 26 der Richtlinie 2001/83/EG nicht. Jedoch ist die Zulassung nach Art. 61 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG auch zu versagen, wenn die Etikettierung oder Packungsbeilage mit den Vorschriften der Art. 54 ff. der Richtlinie 2001/83/EG und den Angaben in der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels nicht übereinstimmt. Die Vorschriften über die Etikettierung und die Packungsbeilage beziehen sich aber zum einen auch auf den Namen bzw. die Bezeichnung eines Arzneimittels (Art. 54 Buchstabe a), Art. 55 Abs. 2, Art. 59 Abs. 1 Buchstabe a der Richtlinie 2001/83/EG). Zum anderen gehen die Art. 54 ff. auch davon aus, dass Etikettierung und Packungsbeilage - und damit auch der Name bzw. die Bezeichnung - nicht irreführend sein dürfen. Zwar finden sich in Art. 54 ff. der Richtlinie 2001/83/EG keine ausdrücklichen Regelungen, die irreführende Etikettierungen und Beilagen - bzw. Arzneimittelnamen - verbieten, und die Art. 86 ff. betreffen nicht Packungsbeilage und Etikettierung (Art. 86 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG). Dies findet indes seinen Grund nur darin, dass nach Art. 62 der Richtlinie 2001/83/EG Angaben die - wie in gewisser Weise auch die Bezeichnung "Blutreinigung" - Werbecharakter haben können, in Umhüllung oder Packungsbeilage generell unzulässig sind. Das Gemeinschaftsrecht geht daher erkennbar davon aus, dass Etikettierung und Beilagen - bzw. Arzneimittelnamen - "neutral" und damit eben auch nicht irreführend sein dürfen. Auf gleicher Linie liegt auch Art. 63 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG. Dort wird eine eindeutige und für den Verwender verständliche Packungsbeilage verlangt. Eine irreführende Bezeichnung des Arzneimittels beeinträchtigt aber auch die Eindeutigkeit und Verständlichkeit der Packungsbeilage. Das Gesagte wird durch Erwägungsgrund 40 der Richtlinie 2001/83/EG bestätigt. Danach müssen die Bestimmungen über die Unterrichtung der Patienten ein hohes Verbraucherschutzniveau gewährleisten, so dass Arzneimittel auf der Grundlage vollständiger und verständlicher Informationen ordnungsgemäß angewandt werden können. Vor diesem Hintergrund lässt das Gemeinschaftsrecht eine irrführende Bezeichnung eines Arzneimittels nicht zu.

Wie ausgeführt ist es nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AMG verboten, Arzneimittel herzustellen oder in den Verkehr zu bringen, die mit irreführender Bezeichnung versehen sind. Ein irreführende Bezeichnung im Sinne dieser Vorschrift liegt u.a. dann vor, wenn die Bezeichnung Verbrauchererwartungen weckt, die unzutreffend sind. Da es um Arzneimittel geht, ist ein strenger Maßstab hinsichtlich der Wahrheit, Eindeutigkeit und Klarheit anzulegen (sog. Strengeprinzip).

Siehe z.B. BGH, Urteile vom 5.4.1990 - I ZR 19/88 -, NJW 1991, S. 752 und 14.1.1993 - I ZR 301/90 -, juris; Bornkamm, in: Baumbach/ Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl. 2004, § 5 UWG Rdnr. 4.176; Doepner, Heilmittelwerbegesetz, 2. Aufl. 2000, § 3 Rdnr. 22.

Es kann offen bleiben, ob "Verbrauchererwartungen" in diesem Sinne die normativ zu konkretisierenden "berechtigten Verbraucherwartungen" sind oder ob generell auf die real existierenden (empirischen) Verbrauchererwartungen abzustellen ist. Selbst wenn Letzteres der Fall wäre, verlässt sich der Verbraucher in diesem Rahmen darauf, dass Arzneimittel so zugelassen, hergestellt und zusammengesetzt sind, wie es den gesetzlichen oder sonstig vorgegebenen Standards entspricht oder wie es die damit befassten verantwortlichen Kreise und Stellen als richtig befunden haben (sog. verweisende Verkehrsvorstellung).

Vgl. BGH, Urteile vom 13.12.1984 - I ZR 71/83 -, MDR 1985, S. 736 und 8. 3. 1990 - I ZR 239/87 -, MDR 1991, S. 30; Bornkamm, a.a.O., § 5 UWG Rdnr. 4.5; Doepner, a.a.O., § 3 Rdnr. 20.

Bei Arzneimitteln verlässt sich der Verbraucher insbesondere darauf, dass die jeweils durch die Bezeichnung in Anspruch genommene Indikation von der behördlichen Zulassung gedeckt ist und insoweit eine Prüfung hinsichtlich Wirksamkeit und Unbedenklichkeit gemäß den Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes stattgefunden hat.

Vgl. OLG Köln, Urteil vom 22.1.1997 - 6 U 62/96 -, PharmaR 1997, S. 187; Kloesel/Cyran, a.a.O., § 8 Anm. 13; Doepner, a.a.O., § 3 Rdnr. 20.

Das wird normativ durch § 2 Abs. 1 AMG bestätigt. Diese Vorschrift erfasst auch die sog. Präsentationsarzneimittel. Danach bedarf ein Stoff oder eine Zubereitung schon dann einer arzneimittelrechtlichen Zulassung, wenn er bzw. sie als Arzneimittel "präsentiert" wird. Wenn dem so ist, kann der Verbraucher berechtigterweise auch erwarten, dass die mit der Bezeichnung präsentierte bzw. in Anspruch genommene Indikation auch von der behördlichen Zulassung, die auch die Bezeichnung des Arzneimittels umfasst, gedeckt ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.1994 - 3 C 2.93 -, BVerwGE 97, 132; OVG NRW, Urteile vom 17.3.2006 - 13 A 1977/02, 13 A 2095/02, 13 A 2098/02 -, juris (Leitsätze in A & R 2006, S. 240).

Das Gesagte gilt auch für die Arzneimittel nach § 109a AMG. Denn auch diese sind - eben weil sie ein arzneimittelrechtliches Zulassungsverfahren durchlaufen haben und dies auch in der äußeren Umhüllung und Packungsbeilage deutlich wird - für den Verbraucher als Arzneimittel erkennbar. Das zeigt gerade der streitgegenständliche Tee: Auf seiner äußeren Umhüllung ist deutlich sichtbar der Begriff "Arzneitee" angebracht. Im Übrigen hilft der Klägerin ihr Vortrag - nach dem Arzneimittel nach § 109a AMG vom Verbraucher wie Lebensmittel behandelt würden - nicht weiter: Wenn dem so wäre, müsste nach der lebensmittelrechtlichen Rechtsprechung auf die berechtigten Verbraucherwartungen und damit ebenfalls auf den Inhalt des behördlichen Zulassungsverfahrens Bezug genommen werden.

Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 12.12.1985 - 3 C 65.84 -, ZLR 1986, S. 333; BayVGH, Beschluss vom 23.7.1998 - 25 B 95/01001 -, ZLR 1998, S. 660; Doepner, a.a.O., § 3 Rdnr. 20.

Die Maßgeblichkeit des Inhalts der Zulassung für die Beantwortung der Frage, ob eine Irreführung vorliegt, wird dadurch bestätigt, dass es vorliegend um ein Nach-zulassungsverfahren für ein sog. Traditionsarzneimittel nach §§ 109a, 105 AMG geht. Diese Zulassung bezieht sich sowohl auf die Bezeichnung des Arzneimittels (vgl. § 22 Abs. 1 Nr. 2 AMG) als auch auf bestimmte Anwendungsgebiete (vgl. § 22 Abs. 1 Nr. 6 AMG). Es liegt auf der Hand, dass bei der Entscheidung über eine Zulassung im Rahmen der Prüfung der Bezeichnung des Arzneimittels schon verfahrensmäßig nur die von der Zulassung abgedeckten Anwendungsgebiete zugrunde gelegt werden können.

Zwar kann die Anwendung des Irreführungsverbots nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AMG auch einen wertvollen Besitzstand an einer Individualkennzeichnung ganz oder teilweise vernichten. Indes rechtfertigt ein solcher Besitzstand des Werbenden gerade im Arzneimittelbereich nicht die Weiterführung einer irreführenden Werbung. Nur in Ausnahmefällen, wenn einerseits auf Seiten des Werbenden ein besonders wertvoller Besitzstand vorliegt und andererseits die Belange der Allgemeinheit und der Verbraucherschaft nicht ernstlich in Mitleidenschaft gezogen werden, kann eine geringfügige Restirreführungsgefahr toleriert werden.

Vgl. BGH, Urteile vom 27.2.1980 - I ZR 8/78 -, MDR 1980, S. 733, vom 14.4.1983 - I ZR 173/80 -, NJW 1983, S. 2633 und vom 5.4.1990 - I ZR 19/88 -, NJW 1991, S. 752; Doepner, a.a.O. § 3 Rdnr. 40.

Nach diesen Maßstäben ist die von der Klägerin gewählte Bezeichnung "Blutreinigungstee" irreführend. Denn die Bezeichnung weckt die Verbrauchererwartung, dass das Arzneimittel zur "Blutreinigung" zugelassen ist. Dies ist indes - gleichwie man den Begriff der "Blutreinigung" fasst - nicht der Fall:

Geht man davon aus, dass mit dem Begriff der Blutreinigung die Verbraucherwartung geweckt wird, dass das Arzneimittel zur "Blutreinigung" nach heutigen Maßstäben im wörtliche Sinne (z.B. durch Dialyse) zugelassen ist, versteht sich dies von selbst. Denn tatsächlich ist das Arzneimittel nur mit der Anwendung "Traditionell angewendet zur Unterstützung der Ausscheidungsfunktion der Niere" zugelassen und es könnte im Übrigen auch nicht für den Anwendungsbereich einer "echten" Blutreinigung zugelassen werden, da es eine solche nicht bewirkt.

Geht man davon aus, dass mit dem Begriff der Blutreinigung die Verbraucherwartung geweckt wird, dass das Arzneimittel zur "Blutreinigung" nach traditionell-volkstümlichen Vorstellungen - d.h. im Sinne der Galenischen Humoralpathologie - zugelassen ist, liegt ebenfalls eine Irreführung vor (weshalb dahingestellt bleiben kann, ob es diese "volkstümlichen Vorstellungen" heute allgemein noch gibt oder ob sie nur noch in der phytotherapeutischen Fachliteratur "weiterleben"). Jedenfalls setzt eine "Blutreinigung" in dem zuletzt genannten Sinne voraus, dass - etwa im Rahmen einer Kur - zugleich auf mehrere Ausscheidungsorgane eingewirkt wird. Dies ergibt sich im Einzelnen aus den Gutachten vom 24.4.2003, vom 2.10.2001, vom 18.4.1988, vom 15.5.1984 (m.w.N.) und wird bestätigt durch Stellungnahmen aus der Literatur.

Vgl. Schilcher/Schilcher, Sachkundenachweis für frei verkäufliche Arzneimittel in Fragen und Antworten, 4. Aufl. 2002, S. 130; Wörterbuch Naturheilkunde,1996, Stichwort Blutreinigung; Weiss, Lehrbuch der Phytotherapie, 5. Aufl. 1982, S. 304. Vgl. auch das Gutachten vom 24.9.2004, dass von einer "Art" von Blutreinigung spricht.

Für die Anwendung zugelassen ist das Arzneimittel indes nur für ein Ausscheidungsorgan, nämlich für die Unterstützung der Ausscheidungsfunktion der Niere. Insoweit kann dahinstehen, in welchen Fällen es noch hinnehmbar ist, dass die Bezeichnung eines Arzneimittels über das konkrete Anwendungsgebiet - geringfügig - hinausgeht. Jedenfalls gilt auch insoweit das Strengeprinzip. Das führt hier dazu, dass jedenfalls die Beeinflussung nur eines Ausscheidungsorgans nicht mit der Einwirkung auf mehrere Ausscheidungsorgane gleichgesetzt werden kann. Im Übrigen ist das von der Klägerin bemühte Beispiel des "Erkältungstees" von der Beklagten ebenfalls als irreführend gekennzeichnet worden; dies ist Gegenstand des Berufungsverfahrens 13 A 4925/04.

Vgl. zur irreführenden Werbung durch Globalindikationen BGH, Urteil vom 26.6.1997 - I ZR 53/95 -, NJW 1998, S. 815; Doepner, a.a.O., § 3 Rdnr. 56, 76 m.w.N.

Geht man schließlich davon aus, dass mit dem Begriff der Blutreinigung die Verbraucherwartung geweckt wird, dass das Arzneimittel zur "Blutreinigung" im Sinne einer allgemein entwässernden und entschlackenden Wirkung zugelassen ist, liegt ebenfalls eine Irreführung vor. Denn das Arzneimittel ist jedenfalls hinsichtlich einer entschlackenden Wirkung - damit ist offensichtlich die Entfernung von abgelagerten Schlacken oder Verschlackungen im Körper gemeint - nicht zugelassen. Dass der Verbraucher den Begriff der "Entschlackung" in dem eben genannten Sinne nicht zuordnen könnte, ist nicht ersichtlich, zumal die Klägerin mit der Verwendung dieses Begriffs auf der Frontseite der äußeren Umhüllung ersichtlich eine Verbrauchererwartung ansprechen will.

Daran ändert die Behauptung der Klägerin, dass "Entwässerung" und "Entschlackung" ineinander falle, da mit der Unterstützung des Ausscheidungsorgans der Niere gleichsam automatisch "entschlackt" werde, nichts. Eine solche "entschlackende" Wirkung bedürfte der gesonderten Zulassung, da es insoweit um eine gesonderte Wirkung geht (vgl. § 22 Abs. 1 Nr. 5 AMG). Auch geht eine "Entschlackung" inhaltlich weiter als die bloße Funktion der Ausscheidung durch die Niere. Es wird nämlich zumindest suggeriert, dass über die bloße Ausscheidung hinaus auch "Schlacken" oder "Verschlackungen" abgebaut würden. Im Übrigen bestehen erhebliche Zweifel daran, ob eine Zulassung für eine "entschlackende Wirkung" überhaupt erteilt werden könnte.

Vgl. zur Wettbewerbswidrigkeit der Werbung mit "entschlackender" Wirkung OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.7.2006 - 4 U 12/04 -; LG München, Urteil vom 5.4.2000 - 1 HK O 1360/00 -.

Schließlich ist vor dem Hintergrund des Strengeprinzips festzuhalten: Zugelassen ist das streitgegenständliche Arzneimittel nur mit der Anwendung "Traditionell angewendet zur Unterstützung der Ausscheidungsfunktion der Niere". Der Begriff der "Blutreinigung" suggeriert aber darüber hinausgehend - selbst wenn man ihn nicht klar fixieren wollte - etwas anderes oder ein unklares "Mehr" in dem Sinne, dass der Tee "irgendwie positiv" auf das "Blut" wirke. Eine Irreführung liegt aber auch dann vor, wenn mit unklaren "Globalindikationen" geworben wird, die mit dem zugelassenen Anwendungsgebiet nicht übereinstimmen. Vielmehr gebietet das Strengeprinzip bei Arzneimitteln ein Bezeichnung, die mit dem durch die Zulassung festgelegten Anwendungsgebiet in deutlichem Zusammenhang steht.

Vgl. BGH, Urteil vom 26.6.1997 - I ZR 53/95 -, a.a.O.; Doepner, a.a.O., § 3 Rdnr. 56, 76 m.w.N.

Eine andere Beurteilung ist nicht etwa deshalb geboten, weil die Klägerin auf der äußeren Umhüllung, den Behältnissen und der Packungsbeilage das korrekte Anwendungsgebiet des Arzneimitteltees angibt. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AMG ist allein maßgeblich, dass die Bezeichnung als solche irreführend ist; die Angabe des Anwendungsgebiets kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bezeichnung objektiv irreführend ist. Auch wird der Verbraucher im Regelfall seine Kaufentscheidung von der (irreführenden) Bezeichnung - wenn diese einen Schluss auf die Anwendungsgebiete zulässt - und nicht etwa von den konkret angegebenen Anwendungsgebieten abhängig machen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - die irreführende Bezeichnung (bzw. die irreführenden Zusätze) sich auf der Frontseite der äußeren Umhüllung befinden, während die Angabe der Anwendungsgebiete an anderer Stelle erfolgt.

Vgl. zu alldem Bornkamm, a.a.O., § 5 UWG Rdnr. 2.91 ff.

Endlich führt hier auch die Berücksichtigung der Individualinteressen der Klägerin nicht zu einem anderen Ergebnis. Zum einen liegt hier nicht nur eine geringfügige, sondern eine ganz erhebliche Irreführungsgefahr vor, zumal mit dem Begriff der "Blutreinigung" möglicherweise auch eine Blutreinigung im wörtlichen Sinne suggeriert wird. Zum anderen liegt hier ein besonders wertvoller Besitzstand nicht vor, da die Klägerin im Rahmen des Zulassungsverfahrens jederzeit mit dem Verlust des Besitzstandes rechnen musste. Dass sich auch andere Arzneimittel unter der Bezeichnung "Blutreinigungstee" auf dem Markt befinden, ist rechtlich ohne Belang, zumal die Zulassungssituation dieser Tees im Vergleich zum streitgegenständlichen Tee jedenfalls zum Teil eine andere ist (Standardzulassungen, Apothekentees).

II. Der hilfsweise gestellte Anfechtungsantrag ist jedenfalls unbegründet. Der Bescheid vom 23. 8. 2001 ist rechtmäßig bzw. verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die von der Beklagten gewählte Bezeichnungsregelung ist rechtmäßig. Ermächtigungsgrundlage für die von ihr getroffene Bezeichnung ("....Nierentee") ist § 105 Abs. 4f Satz 1 Hs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 1 Alt. i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AMG i.V.m. dem Verhältnismäßigkeitsprinzip. Denn ohne eine Bezeichnung hätte das streitgegenständliche Arzneimittel gar nicht zugelassen werden können. Das bedeutet, dass die von der Beklagten getroffene Bezeichnung als milderes Mittel zulässig ist.

Vgl. Wagner, A & R 2005, S. 61 (62). Vgl. allgemein § 36 Abs. 1 2. Alt. VwVfG.

Die Bezeichnungsregelung ist arzneimittelrechtlich formell rechtmäßig. Insoweit kann dahinstehen, ob die Beklagte gehalten war, das Beanstandungsverfahren nach § 105 Abs. 5 AMG durchzuführen. Denn auch wenn dieses Verfahren durchgeführt worden wäre, stünde die Klägerin nicht anders, als sie heute steht (vgl. § 46 VwVfG): Hätte sie die von der Beklagten gewählte Bezeichnung akzeptiert, so hieße der Tee "....Nierentee", hätte sie die Bezeichnung nicht akzeptiert, wäre die Zulassung so erteilt worden, wie sie jetzt konkret - mit der Bezeichnungsregelung "....Nierentee" - erteilt wurde.

Die Bezeichnungsregelung ist auch materiell rechtmäßig, insbesondere ist sie mit § 105 Abs. 4f Satz 1 Hs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 1 Alt. i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AMG vereinbar. Dass durch die Bezeichnung "Nierentee" irreführend eine Wirkung bei entzündlichen Erkrankungen der Niere versprochen würde, ist nicht ersichtlich. Die Bezeichnung ist insoweit offen und kann - da sie als solche nicht irreführend ist - auch durch die Angabe des Anwendungsgebiets konkretisiert werden.

Vgl. Bornkamm, a.a.O., § 5 UWG Rdnr. 2.91 ff.

Im Übrigen wird der Verbraucher bei frei verkäuflichen Arzneimitteln nach § 109a AMG regelmäßig nicht erwarten, dass sie zur Behandlung von Erkrankungen bestimmt sind (vgl. § 109a Abs. 1, 109 Abs. 3, 44 Abs. 1 AMG).

Schließlich ist die Bezeichnungsregelung verhältnismäßig. Eine Zulassung unter der Auflage, eine andere Bezeichnung als "....Blutreinigungstee" zu wählen, hätte schon deshalb kein milderes Mittel dargestellt, da die Zulassung ohne eine Bezeichnung nicht hätte erteilt werden dürfen. Im Übrigen kann die Klägerin die Bezeichnung des streitgegenständlichen Arzneimittels im gesetzlichen Rahmen ohne weiteres ändern (§ 29 Abs. 2 AMG). Die hierbei entstehenden Kosten (vgl. § 33 Abs. 1 AMG i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 3 der Kostenverordnung für die Zulassung von Arzneimitteln durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit) fallen nicht ins Gewicht.

Endlich könnte die Klägerin eine Aufhebung der Bezeichnungsregelung nicht isoliert beanspruchen. Ein einheitlicher Verwaltungsakt kann nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nur dann teilweise aufgehoben werden, wenn der aufzuhebende Teil nicht mit den übrigen Teilen des angefochtenen Verwaltungsaktes in einem untrennbaren inneren Zusammenhang steht. Eine solcher untrennbarer innerer Zusammenhang ist dann gegeben, wenn der nach einer Teilaufhebung verbleibende Teil des Verwaltungsakts ohne Änderung seines Inhalts rechtmäßiger- und sinnvollerweise nicht selbstständig bestehen kann oder so nicht erlassen worden wäre.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 2.5.2005 - 6 B 6.05 -; BVerwG, Urteile vom 21.2.1992 - 7 C 11.91 - , BVerwGE 90, 42, vom 22.11.2000 - 11 C 2.00 -, BVerwGE 112, 221 und vom 20.8.1992 - 4 C 13.91 -, DVBl 1993, S. 152.

Hier liegt ein solcher untrennbarer sinnvoller Zusammenhang vor. Die Bezeichnung ist Teil der Zulassung, ohne eine Bezeichnung kann ein Arzneimittel nicht zugelassen werden.



Ende der Entscheidung

Zurück